Rare – Die Poetik der Melancholie

„Selten, wertvoll, kostbar“ – das bedeutet der Titel des Debütalbums von Kathrin Scheer. Kostbar ist auch jede der wundervoll ausbalancierten Jazz-Melodien. Zeit- und schwerelos klingt die Stimme vom anderen Ende des Universums her, und vibriert gleichzeitig aus dem Innersten des Zuhörers heraus. Musik, die immer schon da gewesen zu sein scheint, ohne Anfang oder Ende.

Kathrin Scheer



Am Anfang war Musik

Auch den Wunsch, Musikerin zu werden, kann die 31-jährige Kölnerin kaum noch lokalisieren: Es war einfach selbstverständlich. In diversen Chören entdeckt sie ihr „singendes“ Selbstbewusstsein.
Kathrin Scheers Liebe zur Musik wurzelt in der Bewunderung für so unterschiedliche Stile wie Gospel, Rock und Grunge. Doch das Studium an der Musikhochschule Köln eröffnet ihr eine neue Welt: den Jazz. Seither ist sie, so bezeichnet sie ihre Leidenschaft, dem ‚Songwritertum’ verschrieben.
Der Erfolg lässt nicht lange auf sich warten: Im Jahr 2000 geht die Kölnerin aus dem Bundesrock & Popwettbewerb als „Beste Sängerin“ hervor. Besonders stolz ist sie auch auf ihre Tätigkeiten für Kinofilm-Produktionen: Für den Film 4 Minuten (2006) arbeitete sie mit der Komponistin Annette Focks zusammen, im Film Wilde Hühner (2008) ist sie ebenfalls als Songwriterin zu hören. Darüber hinaus singt sie im Berliner Vokalensemble Klangbezirk.


Ein Album voll Ruhe und Emotionalität

Im Jahre 2005 gründet Kathrin Scheer ihre eigene Band: Gemeinsam mit Olaf Drewes (Piano), Markus Bender (Bass) und Heiko Braun (Drums) schafft sie einen ureigenen Klang, der auch das aktuelle Album prägt. Für die Aufnahmen im Tonstudio holte die Band noch Gäste dazu: Julia Klomfass (Singende Säge), Mirek Pyschny (Drums), Til Schneider (Posaune) und den diesjährigen „Echo Jazz“-Gewinner Frederik Köster (Flügelhorn).
Die Sängerin selbst beschreibt das Werk als melancholisch – und das ist es, im besten Sinne des Wortes. An regnerischen Tagen laden die Klänge, oftmals einfühlsam geführt vom Klavier, zum Träumen ein. Die Songs, ausnahmslos Eigenkompositionen, wurden in Momenten absoluter Ruhe geschrieben – und das hört man. Ruhig ist der durchgehende Tenor dieser Liederfolge, authentisch die Darbietung, pur der Klang. Vor dem Hintergrund der sparsamen, fast minimalistischen Instrumentalisierung kann der Zuhörer die eigene Phantasie unbeschwert auf Reisen schicken.
Die Lieder kommen ohne die üblichen Jazz-Improvisationen und Soli der einzelnen Instrumente aus – sie sind von Anfang bis Ende durchkomponiert und leben von dem akustischen Moment. Der unaufdringliche Rhythmus trägt durch die Lieder, entblättert mit jeder Note eine weitere Schicht von Seelenbildern, und beweist: Weniger ist mehr. Treffend spricht denn auch die Presse von einer „faszinierenden Langsamkeit“, feiert die „Gospels und Spirituals der Neuzeit“.
„Unfassbare Emotionalität, Lebensfreude, Inspiration, Entspannung, und Melancholie“ – all das ist Musik für die Sängerin, und all das drückt sie in ihren Songs aus. „Zuerst entstehen immer die Melodien“, sagt Kathrin Scheer. „Die trage ich eine ganze Zeit lang mit mir im Kopf mit herum – erst später kommen dann die Texte dazu.“ Entstanden ist ein sehr persönliches Album. Die Musik wirkt schwerelos, und geht doch tief unter die Haut. Ein wiederkehrendes Thema ist die Suche nach dem eigenen Weg, dem eigenen Platz im Leben. Aber auch das Verweilen im Moment, das intensive, unmittelbare Erleben, ist Teil der melancholischen Rückschau: „Everything we did was all we had in life,“ heißt es im Cover-Song Rare, mit dem sie bereits 2008 im Musikvideo-Portal C-Tube auf sich aufmerksam machte. Doch nicht nur in den Texten, auch durch Klang-Zitate spielt Kathrin Scheer mit Zeit und Erinnerung. So enthält das letzte Lied des Albums, das beschwingte The night is young (and so are we), Anklänge an die frühen Grand Dames der Jazz-Szene.

Mittlerweile ist Kathrin Scheer selbst eine der Großen. Denn sie hat Stil.
Getragen von einer erstklassigen Band hat sie ihren ganz eigenen, sehr persönlichen Stil des Singer-/ Songwriter-Jazz entwickelt: wie nicht von dieser Welt, und doch für jeden Einzelnen gemacht. Die Harmonien dringen in Ohr und Herzen gleichermaßen, denn die Musik will nicht durch laute Effekte beeindrucken. Ihre Raffinesse entfaltet sich in der nachdrücklichen Poetik der Ruhe: intensiv, unmittelbar und – kostbar.
Kathrin Scheer

Kathrin Scheer
Vocals
Olaf Drewes

Olaf Drewes
Keyboards
Markus Bender

Markus Bender
Bass
Heiko Braun

Heiko Braun
Drums